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Kleiner Rezi-Leitfaden

(Hinweis: Der folgende Text ist noch nicht lektoriert, wird im Laufe der Woche nachgeholt!)

 

Im Grunde ist es egal, wie knapp oder wie ausführlich die Rezension ist – Hauptsache, es gibt überhaupt eine.

Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die Autoren und andere Leser gern von einem Rezensenten wissen möchten.

 

(Der Klappentext des Buches gehört definitiv nicht dazu!, und was weder der Autor noch der Leser braucht, ist eine Inhaltsangabe. In der Schule haben wir gelernt, dass zunächst eine kleine Zusammenfassung erfolgen soll – nur: wozu? Als Beweis, dass man das Buch gelesen hat? Schreibt eure Rezi so, dass man merkt, ihr habt es getan. Alles andere geht bereits aus der Buchbeschreibung hervor. 

 

Wenn man einigen Rezis angesammelt hat und jede beginnt mit der Wiederholung des Klappentextes – ist das gut? Nö, das ist ermüdend. Und es mindert den Willen, das Buch selbst zu lesen, denn rein psychologisch hat man ja schon das Gefühl, das alles schon hundertmal gehört zu haben.

 

Eure Rezension soll aber gelesen werden, und zwar mit Genuss! Gute Rezis bieten den Autoren wichtige Rückmeldungen, und dem potentiellen Leser erleichtern sie die Kaufentscheidung. Ihr leistet somit einen wertvollen Dienst an der Allgemeinheit und sorgt dafür, dass die Leser ihr Geld nur für Dinge ausgeben, die sie auch gebrauchen können bzw. an denen sie auch Freude haben.

„Gute Rezi“ heißt nicht, dass die Rezension vier oder fünf Sterne beinhaltet. Gut ist eine Rezension, wenn man was davon hat.

 

Versetzt euch entweder in die Lage des Autors oder in die des Lesers. Wem soll eure Rezension nützen?

Dem Autor, damit er Fehler zukünftig eliminiert? Seinen Stil verbessert? Langatmigkeit oder sogar Logiklücken vermeidet? Die Charaktere homogener, spannender, vielschichtiger oder weniger kompliziert gestaltet? Auf Klischees verzichtet? Oder vielleicht genau so weitermacht, weil es toll ist?

Oder dem Leser, damit er die Finger von dem überteuerten, qualitativ unterirdischen Genre-Mischmasch lässt? Oder vielleicht zugreift, um ein wunderbares, fesselndes, bemerkenswertes Buch goutieren zu können, das dringend in das Bewusstsein von noch mehr Leuten gerückt werden muss?

 

Gefälligkeitsrezensionen helfen keinem, ein 1-Sterne-Verriss aber auch nicht. Man kann Bücher auf diese Weise zerstören. Vom Schreiben wird sich aber vermutlich kein ernstzunehmender Autor abhalten lassen, denn dem ist klar: Man kann nicht jedem gefallen, und was dem einen seine Eule, ist dem anderen seine Nachtigall. 

Will in beispielsweise meinem Fall heißen: der eine mag Headhopping, der andere kriegt bei auktorialer Perspektive Ausschlag (allerdings ist es ein leichtes für einen Buchkäufer, vor dem Klick auf den Kaufen-Button kurz festzustellen, worauf er sich einlässt: Leseprobe heißt das Zauberwort.)

 

Das ist sowieso ein sehr wichtiger Grundsatz: Achtet beim Kauf (oder bei der Annahme von Rezensionsexemplaren) darauf, ob dieses Buch wirklich etwas für euch ist. Ich würde bei einem Fantasy-Buch oder allen Titeln, in denen Diminutive a la „Das kleine…(hier beliebiges Geschäftsmodell einsetzen) in den… (hier beliebige Ortsbezeichnung einsetzen) das Grausen kriegen, deshalb behellige man mich bitte nicht damit. Aber bei einem knackigen Liebesdrama oder Historienschinken bin ich sofort dabei!

 

Sobald andere Leser feststellen, dass die 5-Sterne-Rezis von den Testlesern kommen, die im Nachwort namentlich genannt sind, wird die Sache irgendwie blöd.

Sobald man der Rezension anmerkt, dass es um alles andere geht, nur nicht um den Inhalt des Buches (Stichwort: Autoren-Bashing), sind Unbeteiligte unangenehm berührt, mehr nicht.

Die meisten Leser wollen belastbare Bewertungen, und die bekommt man nur, indem man ehrlich ist.

Wenn ihr aufrichtig und in euren eigenen Worten über ein Buch sprecht und das niederschreibt, was euch nach der letzten Seite wirklich im Kopf herumgeht, wirkt das glaubwürdig.

Ihr dürft emotional sein! Wenn ihr ab Seite 300 nur noch geheult habt vor Verzückung (oder vor Wut), dann schreibt das! Aber schreibt auch, wenn ihr auf Seite 120 schon eingepennt seid, weil einfach nichts voran geht und Karla zum achtzehnten Mal darüber nachdenkt, ob sie Otto verlassen soll oder doch nicht oder wieso und warum überhaupt.

 

Wenn das Buch für Leute ü30 zu überkandidelt-teeniehaft ist, schreibt das. Wenn das Buch für Leute u25 zu schwer ist, schreibt das.

Wenn das Buch zwar wunderbare, ausschweifende Beschreibungen enthält, aber kaum lesbar ist, weil es einfach „zu hoch“ ist – schreibt keine Gefälligkeitsrezi, weil ihr euch ansonsten dumm vorkommt, sondern schreibt, was ihr MEINT! Wenn das Buch eine supertolle Entdeckung einer jungen, neuen Autorin ist – schreibt es! Die Leser freuen sich, und die Autorin erst! Sollte der Eindruck überwiegen, dass diese Autorin noch etwas unreif in ihrem Schreiben ist, darf man das auch sagen, aber bitte freundlich, man will ja nicht, dass sich jemand vom Dach stürzt. Und auch, wenn das Buch wirklich nur zwei oder drei Sterne verdient hat: Der Autor soll hinterher bitte schon noch in den Spiegel gucken können, und zwar aufrecht stehend.

Schreibt euer persönliches Empfinden. Schreibt nicht irgendwo ab. Findet eure eigene Stimme, man wird euch mit Rezi-Exemplaren zuschütten!

 

Wenn ihr euch über etwas ärgert, das der Autor irgendwo anders von sich gibt: Straft nicht öffentlich ab, beleidigt nicht – weder das Buch noch die Menschen, die es gemacht haben.

Spoilert nicht! Es gibt nichts Schlimmeres, als in einer Krimi-Rezension den Killer zu verraten. Lest euch die Rezi vor dem Abschicken noch mal durch. Noch besser: Schlaft nochmal drüber.

Wenn das Buch ein Bad- oder Sad End hat statt eines, das happy macht (und zwar alle Beteiligte), tut bereits der Autor gut daran, in irgendeiner Art darauf hinzuweisen. Auch vor Cliffhangern sollte bereits der Verfasser des Buches warnen, sonst hat er es einfach nicht anders verdient. 

Meiner Meinung nach dürfen Rezensenten schon darauf hinweisen, wie ihnen das Ende des Buches gefallen hat - spoilern muss man deshalb nicht. In manchen Genres ist eh sonnenklar, wie die Sache ausgeht. 

Beispiel Romance: Hier gehört ein Happy End quasi zur Genrebeschreibung . In Liebesromanen (Achtung, anderes Genre!) kann und darf das anders aussehen.

Beispiel Krimi: Dass am Ende (oder schon früher) jemand tot ist, ist eigentlich logisch. Beim Krimi geht es um die Aufklärung des Verbrechens. Dass es einen Mörder/Verbrecher gibt, ist ja wohl logo.  OB der Mörder dingfest gemacht werden kann und WER der Mörder ist, hat nichts mit einem "Happy End" zu tun, sondern mit der Struktur dieses Genres, und selbstverständlich darf ein Rezensent niemals verraten, wie die Sache ausgeht.  Das wäre dem Autor gegenüber in höchstem Maße unfair. Der Rezensent darf aber sehr wohl sagen, ob das Ende  zufriedenstellend,  erwartbar, genial oder seiner Meinung nach völlig an den Haaren herbeigezogen war. 

 

 

Was man nicht tun sollte: ein Buch rezensieren, an dem man auf irgendeine Weise mitgearbeitet hat (z.B. als Lektor, Korrektor, Coverdesigner, oder auch als Testleser).

Ich mache häufig Probelektorate und Lektorate, außerdem berate ich Autoren bei polizeilichen oder kriminalistischen Fragestellungen. Als Mitwirkender käme ich niemals auf die Idee, das Buch zu rezensieren. Wenn es Anmerkungen zu machen gibt, teile ich die dem Autor persönlich mit. Wer Bewertungen so nötig hat, dass er seine Freunde oder Familienmitglieder mit hinzuziehen muss, hat meiner Meinung nach etwas Grundlegendes nicht verstanden, nämlich, dass man Käufer nicht hintergeht.

Leser sind aber etwas anderes. Leser sind Publikum, und Autoren schreiben nicht für ihre Lektoren oder Korrektoren, sondern für euch da draußen, für euch LESER. Leser sind die, die wirklich zählen. Leser sind ein Querschnitt der Bevölkerung, und wer möchte nicht wissen, was die Welt von seinen innersten Gedanken, seiner Seele, seinem Herzblut (=Buch) hält?

 

Rezensionen sind für Leser. Eine legitime Art, Bewertungen zu generieren, sind Leserunden, Vorablesen oder Plattformen wie NetGalley. In allen Fällen vergibt der Autor sein Buch gratis an Interessierte, meist als Taschenbuch, bei NetGalley auch nur als E-Book.  Gratis heißt aber nicht „umsonst“: Das Buch ist der Gegenwert für die Rezi, und umgekehrt – quid pro quo.

 

Dass diese Rezi nicht uneingeschränkt gut ausfallen muss, ist wohl selbstverständlich. Die Vielfalt der verschiedenen Meinungen ergibt den Querschnitt, und wenn der hoch liegt, umso besser! Man darf als Autor auch um Rezensionen bitten, etwa im Nachwort des Buches oder im Anschluss an eine Lesung.

Bei Gewinnspielen darf man das nicht. Heißt: man darf eine Teilnahme nicht abhängig von einer Rezi machen. Wenn ich ein Buch geschenkt bekomme oder gewinne, rezensiere ich es selbstverständlich trotzdem, schon allein aus Höflichkeit, denn vermutlich verfolgt der Autor ein bestimmtes Ziel, und das kann nur eine Buchbesprechung sein – sonst würde er die Kosten nämlich scheuen.

Feedback ist nicht immer angenehm. Autoren wissen das. Sie sind konstruktive Kritik normalerweise gewöhnt, da sie dergleichen schon von ihren Lektoren und Korrektoren erfahren haben. Wenn man sich mit seinen Texten (gilt auch für Bilder, Fotos, Musik oder Skulpturen) in die Öffentlichkeit wagt, erwartet man nicht nur Applaus. Man freut sich über Applaus, aber es ist einem schon irgendwie klar, dass es auch Andersdenkende gibt, und die Sache ist die: Je durchwachsener die Ansichten sind, desto spannender ist oft das Buch.

 

Rezensionen sind der Treibstoff und das Futter, von dem Autoren leben und dessentwegen sie sich überhaupt an den Computer setzen. Wer etwas anderes sagt, lügt. Es geht nicht um den Euro fuffzich, den man en einem Buch verdient! Sondern um Anerkennung durch das lesende Publikum, um verbale Streicheleinheiten, um die Wertschätzung, die ein Leser einem zukommen lässt, indem er sich hinsetzt und fünf oder zehn Sätze zu dem schreibt, was er gelesen hat.

Fünf oder zehn Sätze reichen in den meisten Fällen. Natürlich sind ausführliche Buchbesprechungen toll, aber Leser sind Leser, keine Autoren, und auch keine kleinen Reich-Ranickis.

 

Es ist schwer, als womöglich selbstverlegter Autor sichtbar zu werden. Man muss Geld in die Hand nehmen, Marketing betreiben und Leser finden, sonst kommt das Buch nicht aus dem Quark. Rezensionen helfen dabei, sind aber kein Allheilmittel – gut sollte das Buch schon sein, sonst fliegt man schneller auf, als man gucken kann.

Was man als Rezensent nicht sein darf, ist unfair. Wenn euch das Buch nicht gefallen hat, ist das absolut okay. Bewertungen sind Meinungen und somit frei. Dafür, dass ihr zum falschen Buch gegriffen habt, den Autor verantwortlich zu machen, ist unfair.

Der Autor kann auch nichts dafür, wenn euer Wortschatz seinem drastisch unterlegen ist. Er kann nichts dafür, wenn ihr nur große blonde Helden lieben könnt, aber keine kleinen dunklen. Er kann nichts dafür, wenn ihr „etwas anderes erwartet“ habt – informiert euch bitte besser über das Buch und überlegt, ob ihr dafür zehn oder fünfzehn Euro ausgeben würdet, wenn man es euch nicht sowieso geschenkt hat, wie es ja vielfach vorkommt (Reziexemplare kriegt man auf verschiedenen Wegen absolut kostenlos).

 

Es gibt ein paar Floskeln in Rezensionen, die immer wieder auftauchen – ich nehme ja an, dass man das in den Abschlussklassen so lehrt. Bei bestimmten Sätzen verdrehe ich immer die Augen, IMMER.

Einer davon lautet: „Der Schreibstil ist flüssig (oder: angenehm flüssig)."

Hey. Flüssig schreiben ist eigentlich die Voraussetzung dafür, einen längeren Text zu verfassen. Flüssig schreiben ist kein Zeichen von Qualität, sondern eine Mindestvoraussetzung und somit nicht der Rede wert.

Den Plot zu kritisieren, ist erlaubt, sofern er Mängel enthält (Wiederholungen, Logiklücken).  Den Plot zu kritisieren, weil er einem nicht gefällt, ist sinnlos. Der Autor wird sich etwas dabei gedacht haben, warum Franz in Kapitel achtzehn plötzlich stirbt. Vielleicht erschließt sich euch diese Wendung noch nicht, aber deshalb ist sie nicht falsch – besonders bei Reihen und Serien haben Autoren meist einen ganz guten Plan, der über dieses Werk hinausgeht.

(Wenn Franz in Kapitel 21 wieder aufersteht oder niemals tot war: vergiss, was ich gesagt habe. Dann habt ihr die Pflicht, zu kritisieren.)

 

Autoren möchten wissen: Wie gut sind die Charaktere? Wen mögt ihr gern, wen gar nicht, und warum? Ist die Wortwahl so, dass man stolperfrei lesen kann, oder braucht man ein Fremdwörtlexikon an der Seite? Gibt es Längen? Begründen, bitte. Gibt es besonders tolle Dinge? Ist das Buch witzig? Der Schreibstil besonders (also, alles außer „flüssig“!)? Was macht dieses Buch lesens-, vielleicht sogar liebenswert? Bringt es auf den Punkt, ihr habt die Macht!

 

Rezensionen machen demütig. Man merkt als Autor, dass andere Menschen deinen Text lieben – oder eben nicht, aber zumindest haben sie sich damit beschäftigt. Das ist mehr, als die meisten Menschen in ihrem Leben je erfahren, und das ist ein Glücklichmacher-Effekt. Vielleicht träumen deshalb so viele Menschen von einem Leben als Autor.

 

©megmcgary 11/2021

 

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