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Niemals ein Brotjob

Was, fragen sich nun wahrscheinlich alle, die nicht nebenher schreiben und den Begriff daher nicht aus tausend Autorenforen hinreichend kennen, zur Hölle ist denn ein „Brotjob“?

 

Das: Ein Beruf, den man ausübt, um sich und die Familie zu ernähren. Ein Brotjob ist ein Job, den man macht, um nicht zum Sozialfall zu werden. Ein Brotjob kann durchaus ein Beruf sein, aber niemals eine Berufung. Brotjob und Beruf ist der Unterschied zwischen Hamsterrad und Identifizierung mit seiner Arbeit. Ein Brotjob ist notwendiges Übel, ist lästig, macht keinen Spaß.

 

Spaß macht Brotjobausübern nämlich was ganz anderes: schreiben nämlich. Weil sie aber mit dem Schreiben noch oder noch nicht genug Kohle verdienen, um davon leben zu können, schleppen sie sich jeden Tag in die Firma, die Bank, den Laden, das Büro.

Puuh. Meine Güte. Gibt es etwas Traurigeres, als acht oder mehr Stunden täglich mit etwas verbringen zu müssen, das man nicht gern tut?

Bei mir ist es so: Ich muss nicht 8 Stunden am Tag schreiben, um schreiben zu können. Bei mir ist das eher komprimiert. Wenn ich zuhause bin und die ganzen anderen Verpflichtungen (Hund, Kind, Mann, Mutter, Schwiegermutter, Freunde, Sport, Haushalt, Garten, übliches Gedöns) erledigt habe, setze ich mich an mein Notebook und lege los, und ich liebe es. Ich freue mich darauf, ich sehne mich danach, endlich anzufangen; und natürlich entspricht die Zeit, die ich mir dafür nehmen kann, niemals der Zeit, die ich mir dafür nehmen möchte. Aber hey, das Leben muss ja irgendwie funktionieren.

 

Auf den Gedanken, meinen Beruf aufzugeben, bin ich noch nie gekommen. Okay, manchmal möchte ich gern mehr Zeit auf der Buchmesse verbringen und nicht nur Pflicht absolvieren, sondern Kür. Ich hätte gern richtig viel Zeit für Marketing und würde auch schrecklich gerne mehr Zeit in den Autorenforen verbringen, und sei es nur, um mich über andere aufzuregen, aber das geht leider nicht, weil mein Tag komischerweise auch nur 24 Stunden hat und ich sehr oft 12 davon mit den Problemen anderer Menschen zubringe: im Dienst.

Aber das ist okay, und mein Beruf ist definitiv kein Brotjob. Ich geb ihn nicht auf, und nicht nur wegen der Kohle.  Zum einen müsste ich ansonsten ungefähr 3500 Bücher pro Monat verkaufen, um so weiterleben zu können wie bisher, und das scheint mir doch ziemlich hoch gegriffen ;-) Denn die Bücher müssen ja erstmal geschrieben werden. Doch, ich habe einen Plan: meine Buchprojekte sind vorgeplant, und ich weiß ziemlich genau, wann welcher Plot umgesetzt wird. Aber ich hasse Deadlines.

 

Manchmal schreibe ich Texte, für die man mich wortweise bezahlt.

Heißt: Eine Mail kommt. „Hallo Megan. Schreib doch mal einen Text zu folgendem Thema…“

Und dann kommt‘s, irre Themen, zu denen man eben was weiß oder nicht. Übrigens ist das die beste Schreibübung, die es gibt – zielgenaues, handwerklich korrektes Schreiben. Man recherchiert und textet, mal 500 oder 1000 Wörter, mal 2000, auch schon mal 5000. Und Geld gibt’s dafür auch.

Meine Themen waren bisher meistens Tiere. Hunde, überwiegend. Ich referierte über Läufigkeit, Welpen, Giardien, Tiertransporte, Laborhunde. Aber ich habe auch schon über Halsbandsittiche geschrieben! Und über Guppys. Einmal über Weihnachtsbäume aus Österreich. Nachhaltigkeit bei Kleidung. Das mit den Halsbandsittichen war geil! Man lernt nie aus.

Okay, was war das jetzt…ach so.

Solche Texte haben ein Verfallsdatum, einen Abgabetermin. Wer nicht bis zum Fristablauf liefert, verliert den Auftrag. So ähnlich ist das bei Büchern eben auch. Ich würde den blanken Horror erleben, wenn mir jemand eine Ziellinie für mein Buch vorgäbe. Nein, hey – ich will das nicht.

 

Zum anderen: Ich liebe meinen Beruf. Den jetzigen, und auch die früheren. Ich habe eine grundsolide, kaufmännische Ausbildung und war schon Stewardess, Kellnerin (das nimmt sich nicht viel, übrigens), Motorrad- und Bäckereiverkäuferin, habe in einem Plattenladen gearbeitet, bei einem riesigen Unternehmen an fürchterlichen Maschinen Teile aus Stahlblechen gestanzt (im Akkord), und Kinder betreut. Dann ging ich zur Polizei, spät, mit 25. Diese Tätigkeit gewährt einem Einblicke, nach denen sich manche Schriftsteller alle zehn Finger lecken. Man erlebt Situationen, die man sich kaum ausdenken kann. Dinge, für die andere Leute ein Heidengeld bezahlen müssen. Sport, schießen, Kampftechniken, Festnahmetechniken, Türöffnungstechniken, Vernehmungstechniken, Waffentechnik, alle möglichen Techniken, auf die ich hier aufgrund einer gewissen Verschwiegenheitspflicht leider nicht näher eingehen kann, Fahrsicherheitstrainings, Verfolgungsfahrten, Interna, Recht, Aktuelles.

Wenn man viel Glück hat, darf man hospitieren, Gott weiß wo, sogar im Ausland. Man lernt, Dinge auszuhalten: Bilder, Aussagen, Erlebnisse, Tatorte. Man lernt Abläufe kennen: die der Feuerwehren, der Rettungsdienste, der Notaufnahmen und Psychiatrien, anderer Behörden, Kriseninterventionsteams.

Man darf (oder muss) fast überall hin, überall rein, jedes Setting live erleben (das kann gut sein, kann aber auch absolut scheiße sein).

Hier ist nicht alles toll. Es gibt Tage, da verfluche ich schon morgens um halb sieben die Idee, überhaupt hierher gefahren zu sein. Es gibt Nächte, da sitzt man um drei Uhr mit rauchendem Hirn über einem Bericht und fragt sich, warum man nicht bei Lidl an der Kasse sitzt. Oder bei der HUK im Großraumbüro. Bei Otto im Callcenter, oder was weiß denn ich.  Aber dann ist es Montagmorgen nach einer Wochenendschicht, und ich geh nach Hause, weiß, dass ich nach ein bisschen Haushalt und Familienstress drei Tage frei habe – und finde alles klasse und freu mich :-) Worauf? Aufs Schreiben.

Aber Brotjob? Never ever.

 

 

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