· 

Klappe, die Einhundertundzwölfzigste

Reden wir mal über Klappentexte.

So ein Buch ist ja schnell geschrieben - ein Jahr oder zwei, und zack, sind fünfhundert Seiten mit feinster Prosa und spannendstem Text gefüllt.

Dann... sollen Sie einen Klappentext erstellen.

 

Nach den ersten zehn Versuchen kommen Sie sich vor wie im absolute-beginner-Schreibcamp. Nach zwanzig erwägen Sie, das Schreiben für immer an den Nagel zu hängen. Nach dreißig sehen Sie ein, dass sie Hilfe brauchen.

 

Wenn Sie einen größeren Verlag im Rücken haben, wird der (also, der Verlag) Ihnen die Mühe wohl abnehmen. 

Sie Glückspilz. Ob der Klappentext dadurch tatsächlich der beste ist, der er sein könnte, ist deshalb nicht weniger fraglich. 

Für Selfpublisher läuft der Hase ein wenig anders.

Sie dürfen zwar schreiben, was sie wollen, aber leider treffen Sie auch fast jede Entscheidung allein, was manchmal der Wahl zwischen Pest und Cholera entspricht.

 

Klappentexte sind Pest und Cholera zugleich. In den Foren entbrennen leidenschaftliche Diskussionen um die dort vorgestellte Klappentexte, und wie kommt es eigentlich, dass beinahe JEDER für JEMAND ANDEREN Top-Klappentexte schreiben kann - aber niemandem gelingt es beim eigenen Buch? Jedenfalls nicht ohne Schweiß, Tränen und nackte Verzweiflung.

 

Außerhalb des World Wide Webs geht das mit dem Buchkaufen so: Man spaziert in eine Buchhandlung (und fühlt sich sofort wie im Paradies :-)), wählt sein Lieblingsregal (Genre!) und fängt an, Bücher zur Hand zu nehmen, wahrscheinlich, weil einem das Cover und/oder der Titel ins Auge gesprungen sind. Kurz wenden.  Auf der Rückseite befindet er sich: der Klappentext. Man liest diese drei bis neun Zeilen und entscheidet: ja, das isses. Oder eben nicht. 

Wahrscheinlich gucken Sie aber erst Mal im Internet. Natürlich steht auch heute noch auf jedem gedruckten Buch ein Klappentext. Den sehen Sie aber vielleicht nur auf einem kleinen Foto, falls sich jemand die Mühe gemacht hat, neben dem Cover auch die Rückseite abzubilden. Zur Kaufentscheidung führt das, was neben dem Bild des Covers steht: eine Mischung aus Werbeelement, Buchbeschreibung, Leserstimmen und der Autorenvita.

 

Hat den Vorteil, dass man viel unterbringen kann (für den geneigten Interessenten zu erreichen über den Button "weiterlesen"). Hat den Nachteil, dass man aus genau diesem Grund dazu neigt, zu viel zu schreiben.

Wenn man bei KDP oder BoD veröffentlicht, kann man glücklicherweise immer noch mal den Text ändern (natürlich nur online, nicht im Print). 

Was man da nach einigen Wochen doch noch verbesserungswürdig findet...erstaunlich. 

 

Klappentexte sind wie guter Wein, nicht wie Brause: atmen lassen. Und ruhen. 

Ich sag jetzt mal, wie ich's mache. Call me K(ay) T(ie), die Klappentextfee ;-) 

Man könnte mit ein paar Stichworten (Werbe-Speech: "Keywords") anfangen. Oder mit einem besonderen Satz. Einem Zitat aus dem Buch vielleicht?  Und dann schneeflockenartig darum herum aufbauen.

Übrigens ist es recht sinnlos, anhand eines vorgestellten Klappentextes einen Klappentext aufbauen zu wollen. Wie soll das gehen, mit diesen teilweise kruden Informationen, wenn einem der Hintergrund fehlt? Vielleicht sind es ja ganz andere Informationen, die da vorrangig transportiert werden müssten. 

 

Mit hilft es, zunächst meine Story zu komprimieren (Prämissen & Pitchs sind doch nützlich!): Für jedes Kapitel einen Satz.

Oder man schreibt eine Buchzusammenfassung (die braucht ihr später ohnehin noch) und kürzt dann solange, bis in rund 100 Wörtern die Essenz des Manuskriptes vor einem liegt, glitzernd und funkelnd, aufgebrezelt und schick.

 

Eine Übung, die mir gute Dienste leistet: überlegt euch, wie eure Zielgruppe aussieht.

In Navigieren bei Glatteis geht es um eine Polizistin Mitte 40, geschieden, alleinerziehend, Hundebesitzerin (Beagle-Besitzerin sogar!); taff, spöttisch; will alles, nur keinen Mann; aber verknallt sich in ihren Erzfeind, einen Supertypen mit fragwürdiger Vergangenheit.

Anhand dieser Merkmale könnte man für verschiedene Adressaten einen eigenen Klappentext schreiben und daran üben. Was ich damit meine? Für alle diese Eigenschaften gibt es Zielgruppen. Für alle diese Zielgruppen schreib einen eigenen Klappentext. Der für die Beagle-Gruppe wird sich völlig anderes anhören als der für die Polizei-Kollegen, wetten? Und der für die alleinerziehenden ü-40-Jährigen unterscheidet sich stark von dem, der für die erotisch interessierten Frischverliebten wäre.

Aber all das ist meine Protagonistin Mary.

 

Beantworte in deinem Klappentext die wichtigsten Fragen: Wer ist der Protagonist, und was ist da los? (In der Regel reichen zwei Personen - vermeide Namedropping, das verwirrt nur.)

In meinem Navigieren bei Glatteis ist es Mary, die an ihrem Heimatort unerwartet ihrem absoluten Erzfeind wiederbegegnet. Sie muss sogar mit ihm arbeiten.

Frage: Was will Mary? Antwort: Aus der Nummer rauskommen.

Wer spielt die wichtigste Nebenrolle, und wer oder was ist die Gegenkraft? Was ist das Problem / der Konflikt?  Und welches Genre soll das denn überhaupt sein?  (Übung: Schreibe den KT für unterschiedliche Genres. Was, wenn du statt des Liebesromans einen Krimi geschrieben hättest? Oder ein Märchen?)

Passt der Tonfall zum Manuskript? Welche Länge ist beim Klappentext angemessen? Und was ist mit Aufmachung und Optik? Ja? Klasse. Dann fehlt nur noch eins: die Besonderheit.

Was hebt deine Geschichte aus den 8000 anderen in dieser Buchhandlung heraus? 

 

Die gute Nachricht ist: Man kann in einschlägigen Gruppen und Foren um Hilfe bitten. Achtung: den Textfetzen nicht zu Tode diskutieren lassen. Wenn du der Meinung bist, das ist es jetzt, dann ist das auch so. Man kann sich ins Thema einlesen, es gibt Bücher dazu, z.B. von Hans-Peter Roentgen.*

 

Wer mag, kann mir gern eine Mail schreiben oder eine Nachricht auf meiner Facebook-Seite (sollte neben dem vorläufigen Klappentext auch die Buchbeschreibung enthalten). Ich kann Rechtschreibung, Interpunktion und Redundanzen, Verständlichkeit und die Wirkung überprüfen. Gerne können wir auch zusammen am Text feilen. 

Was das kostet? Nichts, nur etwas Geduld und Zeit.

 

*Psst. Hannibal Lecter wurde von Thomas Harris erschaffen. Thomas.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0