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Was ich am Schreiben liebe

Eines meiner liebsten Zitate kommt von Ralph, dem Protagonisten in „Schlaflos“ vom Großmeister Stephen King: Was ich auch tue, ich tue es rasch, damit ich etwas anderes tun kann!

Ich tue alles „rasch“, außer meinen beiden Kernkompetenzen: Hunde und Schreiben (Okay, ich schreibe auch sehr schnell, aber mit ungefähr dreihundert Prozent mehr Konzentration als bei allem anderen).

Morgens jage ich durch mein Leben und absolviere Lästiges, gleichwohl Notwendiges: Hausarbeit. Papierkram. Einkaufen. Tanken. Ich beeile mich damit, weil: sobald ich damit fertig bin, kann ich für die nächsten zwei Stunden an den PC. Danach sind die Hunde dran. Alles, was nicht Schreiben ist, ist nichts als eine ärgerliche Unterbrechung meiner schriftstellerischen Tätigkeit.

Aber: Einmal umgeguckt, und schon ist die wertvolle Schreibzeit vorbei! Zwischendurch siehst du auf und entdecke zu deiner Linken einen Teller. Darauf liegt eine Scheibe Toast mit Käse, dessen Ränder sich seltsam nach oben biegen, weil er langsam vor sich hin dörrt. Du erinnerst dich, dass du vor Äonen Hunger verspürtest, gedankenvoll in die Küche tapptest und diesen Snack zubereitet hast. Auf das Toasten hast du verzichtet. Dauert zu lange.

 

Seither sind besagte zwei Stunden vergangen, während derer du Welten gebaut hast, Gefühle beschrieben hast, Spannung erzeugt hast. Da kann so ein profaner Käsetoast schon mal in Vergessenheit geraten.

Du merkst, dass dein Rücken verspannt ist. Nicht nur der Muskelstrang zwischen Schultern und Nacken, nee, gleich volle Kanne: der ganze Rücken; was natürlich daran liegt, dass die Szene so spannend wurde, dass du kaum wagtest, zu atmen.

 

Erwartungsgemäß ist dir jetzt schlecht.

 

Ich will, dass meine Leser Emotionen empfinden. Dass sie lachen und weinen und beklommen sind, wenn es eng wird für meinen Helden.

Warum ich schreibe? weil die Vorfreude darauf, mich an die Tasten zu setzen, so toll ist. Weil die Finger kribbeln und ich es kaum abwarten kann. Weil ich mich in eine Welt versenke, aus der ich kaum wiederauftauchen möchte. Weil zwei Stunden rum sind wie nichts und mir nie wieder langweilig ist.

Weil ich verliebt sein kann: sowohl in sie als auch in ihn. Weil ich gemein sein kann, weil ich brutal sein kann und richtig richtig fies, aber auch super super zärtlich. Weil ich mir die Welt erschaffen kann, wie sie mir gefällt (hi, Pippi!) und weil ich auf einmal so schlagfertig bin ;-)

 

Ich bin ein Gott: Wenn ich will, kann ich mir sogar das Wetter passend zur Situation machen. Ganz zu schweigen von den Klamotten! Ich kann die Vergangenheit ändern und die Zukunft, und die Gegenwart sowieso. Ich kann empfinden und alles tun, auch das, was ich niemals, niemals live durchmachen möchte. Ich kann größte Leidenschaft und furchtbarste Traurigkeit erleben. Ich kann Tod erleben, Gewalt, aber auch ergreifende Schönheit und unendliches Vertrauen. Ich kann all das tun, was ich im wirklichen Leben versäumt habe, und als Bonus kann ich jede Situation nachvollziehen und verbessern. Einiges kann ich sogar zum Guten wenden - im Nachhinein. Ich kann jede Situation wieder und wieder und wieder erleben: mein persönlicher Murmeltiertag, bis es passt.

 

 

Es ist keine Belastung, im Gegenteil. Die Vorstellung eines perfekten Tages ist für mich ist, von morgens bis abends zu schreiben. Es macht mir Freude, mit den Wörtern zu jonglieren, das Richtige zu finden; an den Sätzen zu schleifen und zu feilen und Wörter zu gebrauchen, die ich im tatsächlichen Leben niemals benutzen würde. Oder haben Sie schon mal zu jemanden „…“ gesagt, ohne eine Anzeige wegen Beleidigung zu riskieren? Ich bin ein Puppenspieler.  Ein Marionettenkünstler:  Die Crew in meinem Buch tut, was ich will, wann ich will und wie ich es will. Manchmal fallen sie dabei gehörig auf die Schnauze. Ich fühle mit ihnen – ja, das tue ich. Ob sie wütend sind, ob sie traurig sind, ob sie glücklich sind oder ob sie in Ekstase sind:  ich fühle mit ihnen. 

 

Autoren sind Illusionisten. Ich liebe es, mir Dinge auszudenken, die in jeden Alltag hineinpassen würden, die aber manchmal auch so abgefahren sind, dass sie keiner von uns sie wirklich erleben will. Bei manchem, was ich schreibe, bin ich traurig, dass es nicht mir passiert. Bei anderem hoffe ich, dass so ein Kelch für immer an mir und meiner Familie vorübergeht. Und dem Himmel sei Dank: Ich habe nicht die Probleme meiner Protagonisten! Ich schöpfe aus dem, was ich in meinem Beruf und in meiner Familie und meinem gesamten Umfeld erlebe, aber sehr viele Dinge entspringen tatsächlich einfach meiner Fantasie. 

 

 

Manchmal wache ich morgens in aller Herrgottsfrühe auf und gehe schreiben. Niemals wäre ich früher aufgestanden für irgendetwas anderes. Ich empfinde es nicht als Last, kreativ sein zu müssen. Im Gegenteil: Ich brenne darauf. Ich bin richtig heiß darauf, endlich anfangen zu können. 

Diese Arbeit erlaubt mir, mich sozusagen überall damit zu befassen. Natürlich mache ich alles, was ihr auch macht. Ich koche, putze und wasche und bügle, gehe einkaufen, treffe mich mit Freunden, sitze beim Arzt, erziehe Kinder und Hunde, nebst Job. Aber immer denke ich an das Buch und verwende die eine oder andere Szene tatsächlich.  Oft lausche ich: Ich lausche den Stimmen meiner Protagonisten. Ja, isso: Ich höre sie tatsächlich manchmal reden, wir fragen und antworten, aber hey, keine Sorge: Schizophrenie ist anders.

 

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