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Über Autorenforen

 

Es gibt Autorenforen, und es gibt Autorenforen.

 

Wir wollen über die bei Facebook sprechen. Dort sind viele, viele Mitglieder vertreten, der Zulauf ist offenbar rege. Jeder Fragestellung ein eigenes Forum!

Mit einer Quote von etwa 1:15, so meine unmaßgebliche Beobachtung, trennt sich die Spreu vom Weizen. Oder die Laien von denen, die tatsächlich was können. Zu 90 %, möchte ich sagen (ich bin nach der letzten Klatsche vorsichtig geworden, möchte nicht direkt den nächsten Shitstorm inclusive Schwiegermutterverärgerung und betone, dass es sich hier um nichts anderes als eine persönliche Einschätzung handelt), veröffentlicht man E-Books bei KDP, wobei viele zusätzlich noch eine Printversion ihrer Werke anbieten, woanders halt. Und dann offenbar den halben Tag damit verbringen, über amazon zu hadern, Rankings hochzurechnen, die schneller wechseln als das Wetter an einem Apriltag,  und Verkaufszahlen im 0,00029 €-pro-gelesener-Seite-Bereich zu überwachen. Die Konkurrenz schläft nicht? Nein, sie sitzt Tag und Nacht bei Facebook. 

 

 In diesen Foren gibt es Leute, die sehr kompetent sind, die seit langem sehr gut informiert sind, die ihr Handwerk verstehen. Die erfolgreich sind, mit dem, was sie tun (ob es sich um Publikationen handelt, die einen bestimmten Leserkreis bedienen und bei anderen zu Naserümpfen führen, ist egal. Erfolg ist Erfolg, und der Zweck heiligt die Mittel. Sogar ein paar bekannte, geschätzte Autoren sind dabei.

Aber ich frage mich, ob die nicht auch manchmal das eine oder andere Lachtränchen verdrücken über uns andere, die wir nicht die Bestsellerlisten rauf- und runterkraxeln - und über die Gründe, warum das so ist.

 

Neben den richtig Guten, den Cracks des Selfpublisher-Universums, gibt es die Weltverbesserer. Das sind die, die auch im schlechtesten Textchen noch Potential erkennen möchten. Die auch den trübsten Tassen und den hoffnungslosesten Fällen jedwede Hilfestellung und Aufmunterung geben, gerne mit Phrasen à la: Übung macht den Meister. Ja, bleib dran, Junge, das wird schon. Auch wenn du keinen Satz ohne grobe Schnitzer ins Handy tippseln kannst, auch wenn kein Mensch kapiert, was zur Hölle du eigentlich ausdrücken willst.

Das sind die, die mit ihren unbedarften Antworten eines besonders deutlich machen: dass sie auch keine Ahnung haben. Meine Liebling diese Woche war jene: die Dame nimmt am liebsten Namen für ihre Protagonisten, die sowohl auf Deutsch wie auch auf Englisch gut klingen. In der Tat: Tom Winter klingt sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch gleich langweilig.

 

Spaßig finde ich immer die Frage nach „Schwarmwissen“. Schwarmwissen ist ein toller Begriff, der inflationär überall da auftaucht, wo viele Leute ihr Interesse bündeln. Kenn ich aus der Patchworkgruppe, da musste ich auch schon immer lachen. Die Gruppe als Superorganismus, hurra. Gemeint ist kollektive Intelligenz zur eusozialen Lösung eines Problems, das alle tangiert, aber das trifft hier ganz sicher nicht zu ;-)

(Das ist wie mit den ganzen anderen Leerbegriffen aus dem CEO-Kosmos (sic!). Schwarmwissen kommt direkt nach du, das holt mich aber nicht ab oder im Endeffekt oder da bin ich ganz bei dir oder dem absoluten Mega-Blödsinn alles gut: sinnentleerte Worthülsen, hohle Laber-Blasen aus der Werbetexter-Hölle. Nee, nee, da will ich doch auf alle Fälle am Ende des Tages mein Bestes geben, um das adäquat zu kommunizieren. Was für ein Quatsch. Das Grauenhafte daran ist: Es gibt sie, die Menschen, die wirklich so reden.

 

Dann haben wir in den Foren die Spezialisten für gekonntes Delegieren. Also die, die lieber die anderen denken lassen. Man nehme: eine beliebige Frage. Und stelle sie statt den üblichen Suchmaschinen eben den hilfsbereiten Deppen im Autorenforum. Die googeln das dann schon für einen und verpacken alles noch in eine nette Zusammenfassung, mit Meinung und Wertung und allem Pipapo. Das mit den Allergien gegen Suchmaschinen hört man neuerdings ja öfter! Manchmal erfolgt von den Fragestellern nicht mal mehr ein Kommentar auf die Antworten, ganz zu schweigen von einem winzigen Danke. Maximale Ökonomie. Genialer Schachzug!

 

Da gibt es solche, die bei Null anfangen. „Ich würde echt gern ein Buch schreiben, wie fängt man denn da am besten an?“ Äh… Oder schon einen großen Schritt weiter sind: „ich habe ein Buch geschrieben (stopp, nee, wenn schon, doch wohl eher ein Manuskript?), wie geht denn das nun mit dem Veröffentlichen und was verdient man da so?“ Es folgt dann meist eine hundertfach gelesene Standardantwort, die man leicht selbst hätte finden können, würde man sich die Mühe machen, innerhalb des Forums die Suchfunktion zu bemühen. Das sind diejenigen, die zu faul sind zum Suchen. Manche Fragen wiederholen sich mindestens wöchentlich.

 

Dann treffen wir auf die, die alles auf einmal wollen: Schreibprogramm kaufen, Website erstellen, Facebook-AUTOREN-Seite erstellen, Instagram, Twitter-Follower, Newsletter, Lesung (!!), give aways, Hilfe zum Plotten/zum Cover/zum Klappentext / zum Exposé erfragen. Ach, und ein Buch schreiben, falls noch nicht bewerkstelligt, of course. Am wichtigsten: Breit aufgestellt überall seinen möglichst kritischen Senf dazugeben und an fast niemandem ein gutes Haar lassen, aber zickig werden, sobald Gegenwind kommt.

 

Nicht zuletzt sind da noch die, die immer mal wieder ihren Hut in den Ring werfen … und zum vierundsiebzigsten Mal ihr grottenschlechtes und potthässliches Buch erwähnen, auf die eine oder andere Art, und sich wundern, warum es immer noch keiner kauft. Oder das Buchcover gleich als Profilfoto verwenden. Oder AUTOR/IN irgendwo an ihren Namen basteln. Autor ist man indes schon, wenn man nur einen Einkaufszettel schreibt ...

 

Rauf und runter werden immer wieder dieselben Gadgets diskutiert, durchgehechelt, bewertet, einen Konsens gibt es nie, und mit der Hilfe ist es bei dem ganzen Wald voller Bäume auch nicht weit her. Gut gefällt mir, wenn immer wieder der gleich unreflektierte Mist durch die Postings geistert. Einer meiner alltime favourites: der Irrtum über das Urheberrecht bzw. die Sache mit dem Brief, den man an sich selbst schickt, was dann irgendeine Beweiskraft haben soll. Schöne Idee. Schon mal vor einem deutschen Gericht gestanden? Viel Spaß mit eurem Brief. Oder, noch viel besser: der E-Mail.

Am liebsten mag ich die Fachfragen: Jemand möchte etwas ganz Spezifisches in Erfahrung bringen, vielleicht etwas zu einem exotischen Land, oder etwas zu einem ungewöhnlichen Berufsbild, einer Erkrankung, einer technischen Besonderheit. 

 

Oder, mein absoluter Favorit: Jemand stellt eine juristische Frage. Oder eine über die Polizei. Vielleicht etwas verwaltungsrechtliches, ganz tricky. Finde ich sowas, setze ich mich in meinem Schreibtischsessel schön gerade hin und lese gespannt mit. Meist dauert es nicht lange, und vier, fünf andere Ahnungslose haben geantwortet.  Manchmal verweist dann jemand, der es offensichtlich leid ist, auf meinen Blog, wo sich gerne jeder hinwenden darf (es wird auch wirklich niemand von mir niedergemacht, und nur selten antworte ich öffentlich).

Manchmal kommt dann jemand mit richtig gesundem Menschenverstand, dem es offensichtlich reicht. Der schreibt dann, was viele denken, aber niemand bisher zu sagen wagte, weil, hier geht’s ja um Hilfe auch für die traurigsten Fälle. Für die, die nicht mal einen simplen Facebook-Post ohne Fehler zustande bringen (und sich mit der Autokorrektur herausreden). Für die, die ihre Bücher „aufm Handy“ schreiben. Für die, die eine ordentliche Redaktion ihres Textes für rausgeschmissenes Geld halten und sowieso glauben, als „Autor“ braucht man außer ein paar verdrehten Gedanken nichts zu investieren.

 

Wenn ich mich gruseln will, sehe ich mich im Netz um. Nein, keine Recherche. Eher ein bisschen luren, was die anderen so machen. Ich suche bei Amazon nach Namen, die mir aus den Facebook-Autoren-Foren entgegen springen, und lese die Leseproben ihrer bereits veröffentlichten Bücher. Leider bin ich danach meist so erschrocken, dass ich nachts nicht schlafen kann. Und schreiben schon gar nicht! Irgendwo habe ich gelesen, dass pro Jahr 4 Millionen Bücher erscheinen, neue Titel. Nach einer Stunde Feldforschung ist mir klar, dass 3,99 Millionen davon das Papier nicht wert sind, schade um die Zeit – des Lesers, und des Autoren.

 

Leute. Das alles findet Verlage? Und Leser? (Zumindest einige, denn es gibt ja Bewertungen und Rezensionen, gar nicht mal schlechte.)

Hexenwerk! Wie geht das? Oh Mann, wow: Bücher, auf deren erster Seite (also, die nach dem unverzichtbaren Prolog ;-)) schon Rechtschreibfehler sind? Autoren, die  Grammatik eher beiläufig betreiben? Falsche Interpunktion? Semantik? Das sind Dinge, an denen man immer wieder hängenbleibt, die einen aus dem Lesefluß herausreißen. Lektoren, die Kommasetzung für vernachlässigbar halten? Jeder Satz ein Absatz? Ständige Alliterationen? Schreibende, die sich mit enervierender Regelmäßigkeit immer wieder im Ausdruck vergreifen? Die immer knapp danebenhauen? Gott, ist das anstrengend. Trotzdem gibt es eine Menge Bücher, die trotz Fehlern auf den ersten drei Seiten verlegt worden sind. Von Verlagen. Wie ist das möglich? Ich möchte mal mutmaßen, dass nicht alle Verlage den gleichen Anspruch haben und nicht Lektoren gleich gut sind. Dann: Erotik auf Seite 2. Böse Falle. Hm-hm. In den Schreibratgebern heißt es ja, man soll die Leser von Anbeginn an in die Geschichte ziehen und binden. Mit unsympathischer Pseudo-Erotik?

Uh.

Noch eine winzige Randbemerkung zu E-Book-Plattformen: (Fast) alles auf wattpad, fanfiction und mystories kann man abhaken, außer, man lernt schreiben und testet sich durch. Natürlich: Wie im Selfpublishing und den Foren für (mehr oder minder erfolgreiche) Autoren gibt es auch hier Perlen. Doch die meisten schreiben wohl, weil sie gern irgendwas tippen, mit Literatur hat das nichts zu tun, und am schlimmsten ist es im Fantasy-/Jugend-Bereich. Echt jetzt?  Mensch, ganz ehrlich: Ich hoffe, die meisten sehen von einer Veröffentlichung ab. Die meisten sollten vor ihrer ps4 sitzen bleiben. Und vom PC wegbleiben. Bitte, Leute, hört damit wieder auf, nehmt eure Medikamente. Oder andere. Oder mehr davon. 

 

 

 

Merke: Achtung! Gefährlich! Wenn man zu viel darin liest, schreibt man hinterher genauso scheiße. Plötzlich sind die Sätze holprig und die Dinge ergeben keinen Sinn mehr. Autorenforen (oder Facebook generell) betreibe man deshalb besser wie Intervallfasten. Nur mit deutlich größeren Intervallen.

 

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